um:hausen im Juni 2014 in Innsbruck

Warum es Wrumms macht

Martin Plattners wortgewaltiges Drama „um:hausen – ein dorf sucht sein phantom“ verstört und betört.

Autor: Martin Plattner

Regie: Martin Zistler

Katka Csanyiova Sebastian Brunner

Bühnenbild: Gerlinde Hirt Lin Tschi

Hundehütte und Masken von gerlinde hirt LIn Tschi

 

Handarbeit mit Zwischentönen

Gegen das weibliche Verstummen anschreiben: Mit dem Sprachgeflecht „um:hausen“ präsentiert sich der Tiroler Dramatiker Martin Plattner erstmals in seiner Heimat.

Tiroler Tageszeitungvon Christiane Fasching

Innsbruck – Zehn Jahre ist’s her, da sorgte in Umhausen eine ominöse „Todesliste“ für dörfliches Unbehagen – und internationales Medieninte­resse. Dass just im beschaulichen Ötztal ein vermeintlich mörderischer Tunichtgut die Postkarten-Idylle störte, bot Stoff für jede Menge Schlagzeilen, die damals auch Martin Plattner faszinierten. „Ich hab’ alle Zeitungsartikel ausgeschnitten und gesammelt“, erklärt der gebürtige Pitztaler, der inzwischen als freischaffender Dramatiker in Wien lebt – und sich von den Geschehnissen in Umhausen nun zum theatralen Sprachgeflecht „um:hausen – Ein Dorf sucht sein Phantom“ inspirieren ließ, das am 24. Juni beim Tiroler Dramatikerfestival seine Premiere erlebt. Erwarten darf man laut Plattner „einen unterhaltsamen Albtraum“, der allerdings nur lose an den Real-Krimi im Ötztal angelehnt ist.

 

Infos

Die Premiere von „um:hausen – Ein Dorf sucht sein Phantom“ geht am 24. Juni (20.30 Uhr) im Freien Theater Innsbruck über die Bühne.

Dieser entpuppte sich schlussendlich als menschliches Drama. Hatte sich die Täterin doch als Opfer getarnt – und das mit selbstzerstörerischer Akribie. Um nicht aufzufallen, rammte sie sich eine Häkelnadel in den Oberschenkel und zündete zu Ablenkungszwecken auch ihren eigenen Schuppen an. „Dieser absurde Ideenreichtum zeugt von unglaublicher Fantasie“, sagt Plattner, der am meisten von der Tatsache gefesselt war, dass ein Großteil der „Bedrohung über Sprache“ passiert ist. „So gesehen verbindet uns etwas: Ich bin ja auch ein Schreibtischtäter“, lacht der 39-Jährige, der im Vorjahr für sein Drama „Maultasch“ mit dem großen Literaturstipendium des Landes Tirol ausgezeichnet wurde. Im Stück, das zurzeit vom Tiroler Landestheater begutachtet wird, trifft Geschichte auf Fiktion: Plattner bringt Margarete Maultaschs historisch belegte, ältere Schwester Adelheid ins Spiel – und schreibt sie zum Pflegefall um. Die Tiroler Landesfürstin wiederum verdammt er zum Waschen, Wickeln und Füttern. Die tragischen Heldinnen des historisch angehauchten Psychodramas sind zwei Frauen um die 50, die gegen patriarchale Gesellschaftsstrukturen aufbegehren.

„Das sind genau die Figuren, die mich reizen“, sagt Plattner, der ausschließlich und ganz bewusst für Frauen schreibt. Oder für „Sprecherinnen“, wie er betont. „Die Frauenrollen im Theater sind noch immer begrenzt: Entweder gibt’s die jugendliche Liebhaberin oder die narrische Oma. Ich vermiss’ die Zwischentöne“, sagt der studierte Komparatist, der durch Zufall beim Theater gelandet ist. Im Kosmos-Theater in Wien fiel vor einigen Jahren bei einer „Alice-im-Wunderland“-Adap­tion jemand aus, Plattner wurde angefragt und tauchte in der Folge tief in die Bühnenwelt ein. Regie, Dramaturgie, Kostüm und Technik – der Wahl-Wiener hat in alle Bereiche des Theaters hineingeschnuppert. „Weil ich genau wissen wollte, wie dieses Universum funktioniert.“ Nebenbei verdiente er sich auch als Ghostwriter noch etwas dazu, seit 2009 steht jedoch überall, wo Plattner drin ist, auch Plattner drauf. Unter anderem beim Theaterexperiment „Who Shot The Princess?“, das auch in Mexico City aufgeführt wurde und bei dem der Tiroler Anleihen an Elfriede Jelineks Texten nahm. Mit Erlaubnis der Literaturnobelpreisträgerin wohlgemerkt, die einige Passagen auch selber einlas.

Bei „um:hausen“ wiederum wird Plattner selbst zum Sprecher – und absolviert damit sein Bühnendebüt. Gleichzeitig ist die Koproduktion von Dramatikerfestival, Vorbrenner und den „featurettes“ die erste Arbeit, mit der sich der Autor, der sich selbst als „Handarbeiter“ sieht, in der Tiroler Heimat präsentiert. Regie beim Genre-Mix, der zwischen Performance und konzertanter Lesung pendelt, und vor gehäkelten Miniatur-Landschaften aus den 1950er Jahren spielt, führt Martin Zistler. Inhaltlich geht’s um ein Mutter-Tochter-Gespann, das unter dem Deckmantel der Dorferneuerung aus seinem Haus vertrieben werden soll, um Platz für ein Klärwerk zu machen. Derart unter Druck gesetzt wird die Tochter, die im Stück „Name geschwärzt“ heißt, zur Täterin, die der dörflichen Bedrohung Drohbriefe entgegensetzt. Plattner: „Es geht um Frauen, die zum Schweigen verdammt werden. Ihnen will ich eine Stimme geben."